Freitag, 20. August 2010

Hingeschaut (10): Philosophie für Babys

Jetzt bin ich doch wirklich bei Nummer zehn angekommen und habe es geschafft, jeden Freitag hier was Neues zu schreiben. Ein kleiner Erfolg für mich, auch wenn ich gemerkt habe, wie schwer es ist, am einzelnen Panel festzuhalten und den Blick nicht sofort schweifen zulassen. Deshalb will ich zu diesem kleinen Jubiläum mal wieder genauer hinschauen.

Bei meiner Auswahl von Comics in den letzten Wochen habe ich stets versucht die Palette der Beispiele möglich weit zu fächern, von Mainstream-Comics, über franco-belgische Alben und einem experimentellen Comic. Die Anzahl meiner absoluten Favoriten habe ich dagegen gering gehalten, da man sonst zu sehr ins Schwärmen gerät. Doch genau dies möchte ich heute einmal machen, denn Book of Leviathan von Peter Blegvad ist einer der Comics, oder besser Sammlung von Strips, den viel zu wenig Leute kennen und der dringend auf ein Podest gestellt werden muss.

Book of Leviathan ist ein Sammelband von Comic Strips, die der Cartoonist und Musiker Peter Blegvad für die Sonntagsausgabe von The Independent gezeichnet hat und die im Zweilicht des letzten Jahrtausend veröffentlicht wurden. Sort of Books hat die Geschichten im Jahr 2000 in Buchform veröffentlicht. Im Kapitel VIII. Words enough & Time findet sich ein Drei-Panel-Strip, dessen zweites Bild heute im Fokus stehen soll.

Das Panel, passend durch die kleine "2" in der oberen linke Ecke als Zweites gekennzeichnet, beschreibt einen recht minimalistischen Raum: Der Hintergrund ist in mattem Grau gehalten und mutiert durch die Präsenz von Gegenstände im Vordergrund zu einer Rückwand. Am linken Rand können wir einen Fernseher inklusive Fernsehtischen erkennen, obwohl als sehr zweidimensional gezeichnet ist. Die leicht glühende Fläche des Apparates machen wir dennoch als Bildschirm aus. Verstärkt wird diese Interpretation durch die Ausrichtung zum Sessel, der die Mitte des Panels einnimmt. Auch er lässt eine dritte Dimension aber nur erahnen.

Die Protagonisten dieser Geschichte sind das Baby Leviathan, das dem Comic freundlicherweise seinen Namen ausgeliehen hat, und eine Hand mit Stift, die eher einem Symbolbild oder einem Terry Gilliam-Prop entspricht. Beide "Figuren" können sprechen und tun dies in recht simpler Art und Weise. Die Sätze als solche sind einfach zu verstehen: "Here he is in profile, half hidden by his chair ..." Worauf Levi fragend antwortet, "What's that smell?" Die Auflösung ist die Fortsetzung des oben begonnenen Satzes: "burning tobacco in his pipe". Der Unterhaltung zu folgen, bedarf keiner großen Mühe, doch über was unterhalten sich die beiden?

Ein genauerer Blick auf den Sessel zeigt mehrere Worte auf dem Stuhl, schwebend. Von oben "Hair, Eye" lesen sich sich bis nach unten zum "Foot". Nimmt man als "Leser" die ganzen Begriffe zusammen, dann ergibt sich aus den schriftlich vermittelten Informationen eine dritte Figur im Raum, die mit einem Drink im Sessel sitzt. Die einleitende Sprechblase eröffnet den Anreiz sich die Worte als Figur vorzustellen und erzählt Levi über den Mann. Doch dieser nimmt nur das Wort "Smoke" auf, fragt aber nach dem "Smell".

Man kann daraus schließen, dass Blegvad in seinem Strip mit der Information des geschriebenen Wortes spielt. Betrachten wir die ganze Seite so sehen wir diesen "Man o' Words" erneut in zwei weiteren Posen. Die Hand erläutert Levi, dass er nicht lesen kann, was man schon aus dem einzelnen Panel erahnen konnte. Deshalb ist das Baby auf andere Sinneseindrücke, wie den Tast- und den Geruchssinn oder auch das Gehör angewiesen.

Doch natürlich dreht sich dieses scheinbar simple philosophische Gespräch noch eine Runde weiter. Denn wie Scott McCloud schon ganz richtig festgestellt hat, tasten, hören, schmecken und riechen wir nichts in einem Comic (mit Ausnahme der riechenden Pinky and the Brain-Ausgabe). Diese Eindrücke sind auch nur Worte, die in allen drei Fällen durch grafische Hilfsmittel wie speedlines, Sternchen oder eine helle Hintergrundfarbe gekennzeichnet ist. Levi kann diese Informationen deshalb genauso wenig aufnehmen, wie die restlichen Körperteile des Wortmenschen.

Es ist dieses ständige Spiel von Widersprüchen, Sinneseindrücken, Literaturzitaten, Anspielungen auf Kunst und Philosophie, die so simpel dargestellt sind, dass es sogar ein Baby versteht. Hinzu kommt, dass die Form des Strips und die Anzahl der Panels von Woche zu Woche von Blegvad gewechselt wurde. Abschließend sei noch ein ganz simples Beispiel aus Book of Leviathan angeführt, um zu zeigen, dass der Comic keine schwere Kost ist und jede Comicsammlung nur beflügeln wird.

Peter Blegvads Homepage: The Amateur.

Ein ergänzendes Interview mit Peter Blegvad im Believer Magazine von Franklin Bruno

Abbildung: © Sort of Books/Peter Blegvad

1 Kommentar:

Reinhard hat gesagt…

Bei all der Wortspielerei kein Wunder, dass ich in Panel 3 "demon-strating" las und mich fragte, wo der böse Dämon steckt! Im Detail nämlich.