Nachdem ich mir mit dem close reading von Shaolin Cowboy und Geof Darrows detailreichem Stil letzte Woche das Leben selbst schwer gemacht habe, gibt es diesmal wieder ein (vermeintlich) simples Panel.
Da Charles M. Schulz' cartoon strip Peanuts keiner langen Vorrede bedarf, springen wir doch gleich zum Panel. Vor einem grünen Hintergrund, der durch ein paar angedeutete Grasstoppel als Horizont mit der Ebene der Handlung verschmilzt, sehen wir zwei Protagonisten der Serie, Lucy van Pelt und Charlie Brown.
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Ich will kurz noch das Offensichtliche beschreiben, bevor ich mich in Variationen verliere: Wir sehen also die beiden Figuren in Aktion. Beginnen wir ausnahmsweise einmal entgegengesetzt der westlichen Leserichtung von rechts: Dort sitzt Lucy in ihren lila Kleidchen und hat das corpus delicti, dem Football in Händen. Zwei kleine speedlines sollen verdeutlichen, dass der Ball im vorangegangen Panel noch einen andere Position eingenommen hat. Sie hat den Ball also weggezogen. Ergänzend dazu ist ihre teilnahmsloser Blick und ihr Mund, der zu einem simplen emotionslosen Strich wird.
Auf der anderen Seite fliegt Charlie Brown durch die Luft. Während zwei komplementäre speedlines seine Flugbahn vom Boden in die Luft nachziehen, zeichnen zwei ergänzende Linien die Bewegung seines Fußes nach. Er war scheinbar im Begriff den Ball zu treten. Im Gegensatz zu Lucys eingefrorender Miene, ist die Überraschung Charlie Brown förmlich ins Gesicht geschrieben. Die Mimik, die Schulz sonst nur als Strich auf einem mondförmigen Kopf dargestellt, zeigt sich hier im Profil ausnahmsweise als aufgerissener Mund.
Ein einziges weiteres grafisches Mittel unterstreicht die Situation, obwohl es über der Handlung prangt: das "AUGHH!". Ob man es nun Onomatopoesie, Lautmalerei oder schlicht soundword nennen mag, verdeutlicht dieses geschriene "Wort" noch einmal das Erstaunen und den Schock. Anstatt dass sich Charlie Browns aufgestaute Energie komplett im Tritt gegen den Football entlädt, verpufft sie als undefinierbare Vokabel in der Luft.
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Wer bereits mehr Beiträge von mir gelesen hat oder mal einen Blick auf meine Homepage geworfen hat, weiß, dass ich ein treuer Anhänger des Gesetzes der Serie bin. Das soll nicht heißen, dass ich mich für ein paar Gestrandete auf einer einsamen Insel oder einen humpelnden Arzt, der auf redundant penetrante Weise Autoimmunkrankheiten attestiert, interessiere. Vielmehr reizt mich das Konzept der Serie als solches. Fragen nach dem Ursprung, der Wiederholung, der Differenz und der Leseerwartung. Obgleich das Feld der Serialität für so manchen Kollegen ein akademisches "Allerweltsthema, dessen Ergebnis man vorausahnen kann", so ist doch gerade das "Allerweltsthema", das Populäre, dass interessiert. Die Frage, warum man sich mit soetwas beschäftigt ist genauso obsolet, wie die Frage nach einer Leserschaft, die obgleich sie vorausahnt, dass Charlie Brown den Football nicht treffen wird, aber dennoch den cartoon strip liest.
Leider endet dieser Blogeintrag an dieser Stelle, er hinterlässt den Leser bewusst mit Fragen in Bezug auf die Serialität, die vorerst unbeantwortet bleiben sollen. Ich hoffe, ich habe den einen oder anderen zu Nachdenken gebracht. Falls mehr Interesse an dem Thema besteht sollte, kann man Ende Oktober einen Aufsatz von mir dazu in The Rise and Reason of Comics and Graphic Literature: Critical Essays on the Form lesen oder einfach die freundlichen Kollegen in Göttingen anschreiben, die für ihre Forschungsguppe "Populäre Serialität" ganz zurecht eine Förderung der DFG bekommen haben.
Abbildungen: © Charles M. Schluz/United Feature Syndicate, Inc./Fantagraphics
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