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Obwohl Gentrifizierung ein geographischer Begriff ist, findet die Verlagerung von Werten auch auf anderen Feldern der Kultur statt. Zum Beispiel im Comic. Wenn ich gefragt werde, ob "diese Comics" eigentlich Kunst seien, dann kann ich nur noch lächeln. Natürlich könnte man jetzt stundenlang über den Kunstbegriff diskutieren, aber den Menschen geht es doch eigentlich um diese Frage hier:
Dürfen "diese Comics" im Museum hängen?
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In meinem schönen Stadtteil Untergiesing, der sich bereits durch sein Präfix jeder Form von Gentrifizierung erfolgreich entzieht, habe ich letzte Woche etwas entdeckt: Direkt in meiner Strasse beklebte ein Mensch, der unerkannt bleiben möchte, die Wand eines Fabrikgeländes mit Comics. Obwohl auch diese Exponate nicht zum Durchblättern gedacht sind, so fügen sie sich perfekt ins Stadt- und Wandbild ein. Alle Ausstellungstücke wurden feinsäuberlich kopiert und auf die Steinwand appliziert.
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Gewinnen Comics nicht gerade durch diese Art der Darstellung etwas zurück, was sie für einen Platz im Museum einbüßen? Obwohl sie wie Kunst aufgehängt wurden, so verweisen sie doch gleichzeitig auf ihre eingene Vergänglichkeit, auf ihren Charakter als Massenmedium. Hier wird Walter Benjamins Das Kunstwerk im Zeitalter der maschinellen Reproduzierbarkeit ad absurdum geführt.
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Auch wenn schon zwei Exponate dem Zahn der Zeit und dem Unmut der Betrachter zum Opfer gefallen sind, so ist dies doch die beste Möglichkeit Comics als demokratisch gewählte Kunstform zu leben. Selbst das abgerissene Werk von Daniel Clowes, das in einem gesprayten Herzen verewigt wurde, konnte zum Teil widerstehen. Der Comic verweist gerade wegen seiner unerbitterten Haftung an der Wand auf seinen festen Platz in unserer Kultur:
Irgendwo zwischen der Hosentasche eines Teenagers und dem MoMA.
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