Mittwoch, 30. Juli 2008

Seltsame Entdeckungen

Es gibt schockierende Neuigkeiten aus der Welt der Comicwissenschaften. In der vergangene Woche stieß ich auf folgende Nachricht auf der Homepage The Christian Science Monitor:


Den Inhalt des Artikels einmal außen vor gelassen, kann man sich über die Überschrift, die Autor Randy Dotinga zusammen mit seiner Redaktion ersonnen hat, nur wundern, da diese alle Klischees, denen sich die Comicwissenschaft ausgesetzt sieht, beinhaltet. So gehört in jeden Artikel, der sich mit der neunten Kunst befasst, das obligatorische Quäntchen Onomatopoesie. Was genau die Begriffe "Pow" und "Zowie" bewirken sollen, bleibt wohl das Geheimnis der Redaktion des Christian Science Monitor. Aber es geht ja noch weiter: "Scholars discover the comic book". Es kommt ja nicht wirklich oft vor, dass Geisteswissenschaftler etwas entdecken, aber diesmal scheinen sie einen großen Fang gemacht zu haben. Sie haben etwas entdeckt, das sich "comic book" nennt. Eine solch großartige Entdeckung rechtfertigt selbstredend die Benutzung der Begriffe "Pow" und "Zowie". Aber lassen wir die unpassende Überschrift einmal mit sich selbst alleine und widmen wir uns dem Inhalt des Artikels.

Der Autor besuchte die weltweit größte Comic-Convention in San Diego, den Comic Con (bei einer comic convention handelt es sich um eine Messe, die bestenfalls alle Aspekte des Comics beleuchten soll). Während der diesjährige Comic Con gerade wegen der anstehenden Comic-Verfilmungen in der Presse medienwirksam breitgetreten wird, versucht sich Dotinga einem Nischenphänomen anzunehmen, der Comicwissenschaft.

"This year, Comic-Con offered almost 24 hours of academic workshops and panel discussions; hundreds of people attended. In 1992, when the discussions began, 20 people showed up."
So positionierte sich der Autor wie ein Wachhund vor jedem Vortrag- und Tagungsraum, um Stimmen der Beteiligten einzufangen und traf zunächst auf einen Adepten im Feld der Comicwissenschaften. Die Studentin Kate McClancey stellte dem wissbegierigen Reporter auch gleich ihr wissenschaftliches Interesse an Batman vor: "how an asylum in the Caped Crusader's world reflects the American debate over treatment of the mentally ill". Diese eigentlich klar verständliche Analogie wird in den Augen Dotingas zu einem etwas obskuren Thema ab. Auch bei den restlichen Themen auf dem Comic Con scheint des dem Autor nicht wirklich zu gelingen, den Nutzen der Comicwissenschaft zu durchdringen und bezeichnet diese als "arcane subjects".

Obwohl es mehreren Wissenschaftlern nach eigenen Aussagen gelang den Fragensteller zu umgehen, fand dieser einen passenden Gesprächsparter. Peter Coogan war nicht nur Leiter mehrerer Diskussionen während des Comic Cons, sondern ist auch Leiter des neu gegründeten Institute for Comic Studies. Doch auch seine Bemerkungen wirkten etwas unbeholfen, so als müsste man dieses wissenschaftliche Feld noch immer rechtfertigen: "Comics have changed. They're not the comics that we grew up with." Haben sich die Comics wirklich verändert oder ist es einigen wenigen Wissenschaftlern einfach nur gelungen den Bereich der Popular Culture Studies durch die Analyse von Comics zu erweitern? Denn obwohl in den letzten Jahren sicherlich eine Vielzahl von anspruchsvollen Comics erschienen ist, ist der Sinn und Zweck der Comicwissenschaften durch die Analyse dieser populären Produkte in Rückschlüsse auf unsere Gesellschaft zu ziehen.

Während er mitten im Thema steckt, gelingt Dotinga ein wahrlich journalistisches Meisterstück; er versucht die Prägnanz der Comicwissenschaft durch die skurrilsten Fakten zu erläutern:

"The growing academic interest in comics comes as Hollywood continues to embrace the form. "Dark Knight," the new Batman movie, is poised to become one of the highest-grossing films of all time, if not No. 1.

Last weekend, Comic-Con sold out before the event began for the first time.

An estimated 125,000 people showed up for the four-day festival, which has largely become a celebration of movies and television.

As for comic books, a leading comics distributor reports that sales of all types of comics to shops in the first six months of 2008 are just 1 percent below the same period in 2007.

Comic Buyer's Guide estimates the annual US comic market at $660 million-to $700 million in 2007, excluding the popular Japanese comics known as manga."

An diesem Punkt angekommen, muss man erst wieder zur obskuren Überschrift zurückscrollen , um sicherzustellen, dass es Dotinga in seinem Artikel auch wirklich um die Comicwissenschaft geht. Vor zwei Jahren bereits veröffentlichten Dotinga einen wesentlich informierter Artikel auf der Homepage von Wired. Wenn man dem Autor folgt, scheint sich in den letzten zwei Jahren nicht viel passiert zu sein.

Für alle diejenigen, die einen Schritt weiter als Herr Dotinga gehen wollen, denen sei folgender Artikel über die Geschichte des wichtigsten Verlages der Comicwissenschaft, University of Mississippi Press, ans Herz gelegt.

1 Kommentar:

Rudolf Inderst M.A. hat gesagt…

Lieber Daniel,

ich habe neulich erst auf einer Konferenz meinen wertvollen Redebeitrag eingeleitet mit folgenden Worten: "Woran erkennt man, dass eine Kunstform nicht im Mainstream ankam und man apologetisch vorarbeiten muß? Indem man als Eingangssatz formuliert: 'Längst hat es Kunstform XY in den Kanon der Künste geschafft.'" Ich bin überzeugt, dass dies leider auch auf die 9. Kunst zutrifft.

Gruß, Rudolf