Nachdem ich in meiner Einleitung/Vorstellung versucht habe auf den Mangel an wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit Comics in Deutschland hinzuweisen, stehe ich nun selbstverständlich in der Pflicht zu erklären, wie eine solche "Comicwissenschaft" aussieht und welchen Mehrwert sie für den Comic-Leser und welchen für den Akademiker hat. Solche Probleme lassen sich am besten immer an Beispielen erklären:
Zu Anschauungszwecken möchte ich deshalb Bart Beatys neu erschienenes Buch Unpopular Culture - Transforming the European Comic Book in the 1990s vorstellen. Kurz zur Biographie des Autors: Bart Beaty ist Professor an der University of Calgary. Dort forscht, lehrt und schreibt er über populäre Medien, wie Comics, Film und Fernsehen. So entstanden in der Vergangenheit eine ausführliche Studie über Dr. Frederic Wertham und eine Übersetzung von Thierry Groensteens struktureller Analyse von Comics mit dem Titel Système de la bande dessinée (1999), auf englisch erschienen als The System of Comics (2007).
Beatys Hauptinteresse gilt dabei, im Gegensatz zu vielen anderen amerikanischen Forschern in diesem Feld, den europäischen Comics. So verfasste er lange Zeit für das The Comics Journal eine Kolumne mit dem Titel "Euro-Comics for Beginners", eine aktuelle Zustandsbeschreibung der europäischen Comic-Szene, die in Amerika weitgehend unbeachtet blieb. Das Endprodukt vieler Gespräche mit Künstlern und Besuchen von Comic-Ausstellungen stellt Beatys neuestes Buch mit dem Titel Unpopular Culture dar, in dem er die europäische Comic-Szene von 1990 bis heute fein säuberlich seziert. Ich bin auf dieses Werk aufmerksam geworden als ich eine Rezension über Die Rückkehr aufs Land von Manu Larcenet und Jean-Yves Ferri geschrieben habe. Kommen wir aber zurück zur ursprünglichen Frage:
Was hat der Comicleser von solchen Studien?
Diejenigen Leser unter uns, die schon viele franko-belgische Comic-Alben gelesen haben und wissen wer Marsupilami, Asterix und Obelix sind, bietet dieses Buch einen interessanten Einblick in die Comics der Nachfolgegeneration von Autoren wie Fraquin, Uderzo und Möbius. Die Neunziger Jahre stehen nicht nur in Frankreich für eine ästhetische Veränderung der Comic-Form in Europa. So beginnt Beaty anhand von gut ausgewählten Comic-Beispielen diese Wechsel zu beschreiben, den er selbst als "Postmodern Modernism of the Comic Book Avant-Garde" bezeichnet.
Auch der informierte Comicleser, der sich allein durch die Nennung von Comics wie Lewis Trondheims Herr Hases haarsträubende Abenteuer oder Joan Sfars Die Katze des Rabbiners nicht hinter dem Ofen hervorlocken lässt, sollte Beatys Werk seine Aufmerksamkeit schenken. Denn wer kann schon genau sagen, wie sich die Künstlergruppe/der Verlag L'Association gegründet hat und welche Kämpfe die Zeichner mit den alteingesessenen französischen Comicverlagen wie z.B. Dargaud ausgetragen haben. Beaty illustriert dabei intelligent am französischen Beispiel der La Nouvelle Bande Dessinée (dem neuen französischen Comic) wie sich die Ästhetik der Comics weg vom Album hin zum Kunstobjekt entwickelt. Genau an diesem Punkt in seiner Argumentation öffnet er die Debatte über die gesamte europäische Comic-Kunst und gibt dem Leser eine gut recherchierte Auflistung von Autoren und Zeichnern wie z.B. MAX, Anke Feuchtenberger oder auch Tom Gauld.
Exemplarisch sei hier vor allem Beatys Kapitel über Lewis Trondheim zu erwähnen in dem er Trondheims komplette Schaffensgeschichte nicht nur zusammenfasst, sondern gleichzeitig noch die ästhetischen Veränderung in dessen Werk erläutert und deutet. So schreibt Beaty eine minutiöse, zehnseitige Abhandlung über die Entwicklung von Lewis Herrn Hase (Lapinot) vom kreativen Independent Comic zum postmodernen Kassenschlager, der sich aber dennoch nicht in eine Form pressen lässt. Ebenso wie Trondheim der Spagat zwischen diesen beiden gelingt, gelingt es Beaty dabei nicht langweilig zu werden und immer wieder neue Anekdoten aus dem Hut zu zaubern.
Obwohl es dem Leser etwas komisch vorkommen mag, dass wir uns all diese Informationen über unsere Comics und die unserer Nachbarn von einem Amerikaner erklären lassen müssen, kommt der interessierte Comic-Leser nicht an Bart Beatys Buch vorbei (man kann auch einen kurzen Blick über Google Buchsuche hineinwerfen!). Neben den Originaltiteln der Comics und den interessanten Beispielbildern, die auch alle im Original dargestellt sind, wirkt die kantige englische Sprache zwar etwas verloren, dennoch liest sich dieses Buch wie eine spannende Geschichte über alte Bekannte (die franko-belgischen Comics), die man in Wirklichkeit aber nur vom Hörensagen kennt.
Demnächst an dieser Stelle mehr über das akademische Interesse an der neunten Kunst.
Zu Anschauungszwecken möchte ich deshalb Bart Beatys neu erschienenes Buch Unpopular Culture - Transforming the European Comic Book in the 1990s vorstellen. Kurz zur Biographie des Autors: Bart Beaty ist Professor an der University of Calgary. Dort forscht, lehrt und schreibt er über populäre Medien, wie Comics, Film und Fernsehen. So entstanden in der Vergangenheit eine ausführliche Studie über Dr. Frederic Wertham und eine Übersetzung von Thierry Groensteens struktureller Analyse von Comics mit dem Titel Système de la bande dessinée (1999), auf englisch erschienen als The System of Comics (2007).
Beatys Hauptinteresse gilt dabei, im Gegensatz zu vielen anderen amerikanischen Forschern in diesem Feld, den europäischen Comics. So verfasste er lange Zeit für das The Comics Journal eine Kolumne mit dem Titel "Euro-Comics for Beginners", eine aktuelle Zustandsbeschreibung der europäischen Comic-Szene, die in Amerika weitgehend unbeachtet blieb. Das Endprodukt vieler Gespräche mit Künstlern und Besuchen von Comic-Ausstellungen stellt Beatys neuestes Buch mit dem Titel Unpopular Culture dar, in dem er die europäische Comic-Szene von 1990 bis heute fein säuberlich seziert. Ich bin auf dieses Werk aufmerksam geworden als ich eine Rezension über Die Rückkehr aufs Land von Manu Larcenet und Jean-Yves Ferri geschrieben habe. Kommen wir aber zurück zur ursprünglichen Frage:
Was hat der Comicleser von solchen Studien?
Diejenigen Leser unter uns, die schon viele franko-belgische Comic-Alben gelesen haben und wissen wer Marsupilami, Asterix und Obelix sind, bietet dieses Buch einen interessanten Einblick in die Comics der Nachfolgegeneration von Autoren wie Fraquin, Uderzo und Möbius. Die Neunziger Jahre stehen nicht nur in Frankreich für eine ästhetische Veränderung der Comic-Form in Europa. So beginnt Beaty anhand von gut ausgewählten Comic-Beispielen diese Wechsel zu beschreiben, den er selbst als "Postmodern Modernism of the Comic Book Avant-Garde" bezeichnet.
Auch der informierte Comicleser, der sich allein durch die Nennung von Comics wie Lewis Trondheims Herr Hases haarsträubende Abenteuer oder Joan Sfars Die Katze des Rabbiners nicht hinter dem Ofen hervorlocken lässt, sollte Beatys Werk seine Aufmerksamkeit schenken. Denn wer kann schon genau sagen, wie sich die Künstlergruppe/der Verlag L'Association gegründet hat und welche Kämpfe die Zeichner mit den alteingesessenen französischen Comicverlagen wie z.B. Dargaud ausgetragen haben. Beaty illustriert dabei intelligent am französischen Beispiel der La Nouvelle Bande Dessinée (dem neuen französischen Comic) wie sich die Ästhetik der Comics weg vom Album hin zum Kunstobjekt entwickelt. Genau an diesem Punkt in seiner Argumentation öffnet er die Debatte über die gesamte europäische Comic-Kunst und gibt dem Leser eine gut recherchierte Auflistung von Autoren und Zeichnern wie z.B. MAX, Anke Feuchtenberger oder auch Tom Gauld.
Exemplarisch sei hier vor allem Beatys Kapitel über Lewis Trondheim zu erwähnen in dem er Trondheims komplette Schaffensgeschichte nicht nur zusammenfasst, sondern gleichzeitig noch die ästhetischen Veränderung in dessen Werk erläutert und deutet. So schreibt Beaty eine minutiöse, zehnseitige Abhandlung über die Entwicklung von Lewis Herrn Hase (Lapinot) vom kreativen Independent Comic zum postmodernen Kassenschlager, der sich aber dennoch nicht in eine Form pressen lässt. Ebenso wie Trondheim der Spagat zwischen diesen beiden gelingt, gelingt es Beaty dabei nicht langweilig zu werden und immer wieder neue Anekdoten aus dem Hut zu zaubern.
Obwohl es dem Leser etwas komisch vorkommen mag, dass wir uns all diese Informationen über unsere Comics und die unserer Nachbarn von einem Amerikaner erklären lassen müssen, kommt der interessierte Comic-Leser nicht an Bart Beatys Buch vorbei (man kann auch einen kurzen Blick über Google Buchsuche hineinwerfen!). Neben den Originaltiteln der Comics und den interessanten Beispielbildern, die auch alle im Original dargestellt sind, wirkt die kantige englische Sprache zwar etwas verloren, dennoch liest sich dieses Buch wie eine spannende Geschichte über alte Bekannte (die franko-belgischen Comics), die man in Wirklichkeit aber nur vom Hörensagen kennt.
Demnächst an dieser Stelle mehr über das akademische Interesse an der neunten Kunst.
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