Montag, 15. August 2011

Film geschaut: Super

Spätestens seit From Dusk till Dawn kommt ein Genrewechsel innerhalb eines Filmes für den Zuschauer nicht mehr ganz so unerwartet daher. Das Roadmovie verwandelte sich - wie Salma Hayek und ihre Artverwandten - in nur wenigen Augenblicken in einen Vampir-Splatterfilm. Nicht ganz so einschneidend sind die Verwandlungen in Super, der bitterbös brutalen Komödie von James Gunn (Slither). Dafür sind sie schmerzhafter.
Die erste Hälfte des Films ist klassisches Looser-Kino: Frank D'Arbo (Rain Wilson) ist mit Sarah (Liv Tyler) verheiratet und arbeitet als Koch in einem Diner. Die zwei glücklichsten Momente im Leben malt er in naiver Kleinkindmanier mit Buntstiften auf: der Tag, an dem er Sarah geheiratet hat und ein Tag als er einem Polizisten bei der Ergreifung eines Gangster geholfen hat. Frank wird sich seiner Mittelmäßigkeit erst bewusst, als Sarah ihn für den Drogendealer Jacques (Kevin Bacon) verlässt. Da sitzt Frank nun und weint; er betrachtet sich selbst mitleidend im Spiegel. Er sieht nur einen einzigen Ausweg: Zu Gott zu beten, damit er Franke ein Zeichen geben möge.

Und Gott gibt ihm ein Zeichen: In einer herrlich skurrilen Szene wird Frank auf seinem Bett von Tentakeln gefesselt, seine Schädeldecke wird aufgesägt und ein Gedanken wird von Gott in seinem Hirn gepflanzt. Der Gedanke, das er von Gott erwählt wurde. Ausgewählt, um etwas zu ändern, um ein Unterschied zu machen. Er erkennt, dass er ein Superheld werden muss:

"All it takes to be a superhero is the choice to fight evil."

Doch ist es nicht dieser Moment, der den Film umkippen lässt. Die Handlung läuft vermutet loosermäßig weiter: Frank schneidert sich ein Kostüm, sammelt Infos im Comicladen und trifft dort seinen zukünftigen Side-Kick, die Aushilfe Libby, alias Boltie (Ellen Page). Als The Crimson Bolt versteckt Frank sich stundenlang hinter einem Müllcontainer, wo er auf die Kriminalität wartet. Endlich einen Gegner gefunden, schreit er ihm voller Enthusiasmus entgegen:

"Shut up, Crime!"



Nur ganz so einfach hält die Kriminalität nicht die Klappe, sondern verkloppt Frank. Auf der Suche nach seiner Superheldenfähigkeit mit er die Schurken in die Flucht schlagen kann, wird Frank fündig: ein einfacher Schraubschlüssel. Und plötzlich kippt Super. Selten hat ein Prop einen Film so in sein Gegenteil verdreht. Die Looserkomödie lässt sich nicht mehr rumschubsen und schlägt brutal zurück. Super wird zur trashigen Gesellschaftskritik bei der selbst einfache Bürger, die sich in der Schlange vor dem Kino vordrängeln mit dem Schraubschlüssel blutig geschlagen und vom Crimson Bolt angeschrien werden:

"You don't bud in line!"

Die unerwartete Gewalt scheint die logische Konsequenz aus der ständigen Unterdrückung zu sein. Lange eingesperrter Ärger kann freibrechen und ungebremste Selbstjustiz nimmt seinen Platz ein. Gunns Film scheint denselben Weg wie Matthew Vaughns Kick Ass einzuschlagen. Beide Regisseure waren während der Dreharbeiten in Kontakt miteinander und wunderten sich kein Stück, dass sie scheinbar den gleichen Film drehen. Auch wenn amerikanische Kritiker Super als Low-Budget-Version von Kick Ass gelesen haben unterscheidet Gunns Film sich doch wesentlich von der Hochglanz Comicverfilmung.

Während der Held in Dave Lizewski alias Kick Ass die Fähigkeit besitzt keine Schmerzen zu verspüren und alle Kämpfe künstlich ästhetisiert wirken, empfindet man jeden Schmerz in Super mit. Ich zucke jedes Mal zusammen, wenn The Crimson Bolt mit seinem Engländer ausholt und einem vermeintlichen Bösewicht auf den Kopf zu schlagen, egal welche Straftat sie verbrochen haben. Den pubertären Machtphantasien von Kick Ass wird ein trashiges Double entgegengestellt, das wirklich wehtut. Außerdem steckt unter der Maske immer noch Frank, der naiv-schüchterne Frank, der es einfach nur unfair findet, dass er seine Frau verloren hat und wirklich alles tun würde, um sie zurückzubekommen.

Unter der anderen Maske steckt die durchgeknallte Libby, die vollkommen angefixt vom Superheldenleben ist und Freude daran hat, Menschen zu bestrafen. Warum ist Super nicht nur Trash-Splatterfilm sondern Gesellschaftskritik? Parallel zur Handlung läuft im Fernsehen immer wieder eine überzogene Serie für orthodoxe Evanglikane mit The Holy Avenger als Protagonisten. Völlig überzogen spielt Nathan Fillion den Superhelden, der die christliche Message so platt verkauft wie ein Gebrauchtwagenhändler. Natürlich darf man die Botschaft vom Holy Avenger nicht wörtlich nehmen. Bei Super steht eben nicht die Selbstjustiz als solche im Zentrum, sondern die total überzogende Darstellung, die Gunn bis zum bitteren Ende durchzieht.

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