Sehtüchtig ist es aber nicht, denn wirklich weitergesponnen wurde in Pirates of the Caribbean: On Stranger Tides nichts.
Es wäre aber zu einfach zu behaupten, dass nur das Fehlen von Elizabeth Swann (alias Keria Knightley) und Will Turner (alias Orlando Bloom) dem Film einen Abbruch getan hat. Doch daran liegt es nicht. Vielmehr handelt es sich um eine allgemeinen Verknappung des Filmes, die schon bei den Namen der Ersatzcrew deutlich wird: Obwohl der neue Schönling Philip (alias Sam Claiflin) in der Missionarstellung Bloom nicht das Wasser reichen kann, entschädigt das wilde Funkeln in den Augen von Angelica (alias Pénelope Cruz) und der Bart von Blackbeard (alias Ian McShane).
Was dem Film aber wirklich fehlt sind die Anknüpfungen zu seinen Vorgängern und zu der Arbeit, die Gore Verbinski geleistet hat. Der neue Regisseur Rob Marshall (Chicago, Die Geisha) hat alle Leinen gekappt und so dümpelt der Film ziellos in fremden Gewässern umher. Was meine ich damit genau?
Vor über vier Jahren habe ich für die Medienobservationen der LMU recht bedeutungsschwanger getitelt: Pirates of the Caribbean: Eine Trilogie als (Neo-)Barocker Kreislauf. Wie bei jedem Text, den man vor Urzeiten einmal verfasst hat, schäme ich mich für die ungenaue Wortwahl, die einem schon aus dem Abstract entgegenschlägt. Doch an meiner Idee, der These und der Analyse halte ich fest:
Der Text lässt sich auf folgende Form verknappen: Für die Trilogie Pirates of the Caribbean greift Verbinski bewusst auf barocke Gegensätze, wie das Memento Mori und das Carpe Diem zurück und bindet gleichzeitig die Dichotomie von Leben und Tod ein. Diese Motive bläst er durch extravagante Darstellungstechniken und überbordende Dialoge zu einem neobarocken Spektakel auf.
Meinen Artikel habe ich damals in großer Erwartung auf folgende Art und Weise beschlossen:
Am Ende des dritten Teils bilden die Protagonisten eine ähnliche Konstellation wie im ersten Film: Kapitän Barbossa und seine Mannschaft an Bord der Black Pearl und Kapitän Jack Sparrow, wieder einmal ohne sein Schiff, nur mit einem kleinen Ruderboot ausgestattet – dem gleichen Schiff, mit dem Sparrow im ersten Film in so heldenhafter wie grotesker Weise im Hafen anlegt. Wieder verbindet alle Figuren ein gemeinsames Ziel: die Unsterblichkeit. So ist die Frage, wie eine neobarocke Erzählung endet, einfach zu beantworten: mit ihrem Anfang. Verbinski hat mit Pirates of the Caribbean einen Text geschaffen, in dem sich typische Elemente des Barock mit neobarocken Strategien vereinen. Die Spekulationen auf einen möglichen vierten Teil tun diesem Konzept des zyklischen Erzählens nicht unbedingt Abbruch, da Verbinski selbst zum Ende des dritten Films die Geschichte weiterspinnt und den „Brunnen des ewigen Lebens“ als neues Ziel festlegt. Somit hat er schon vor den beginnenden Verhandlungen zu einer weiteren Fortsetzung den Rahmen absteckt.
Nun haben alle Spekulationen über den vierten Film ein Ende. Er ist da, ist aber nicht das, was ich mir erwartet habe. Weder werden die barocken Motive verwendet, noch hat Marshall an den Dialogen gefeilt.
Auch was die Darstellungsformen angeht, wurde gespart. Während die Untoten im ersten Film noch durch das Mondlicht ihre wahre Identitäten enthüllten, hat man im vierten Film auf simple Masken zurückgegriffen, um Zombiepiraten darzustellen. Auch die so vielversprechenden 3D-Effekte, die in den ersten Minuten ein Menschenauflauf und eine überbordende Gerichtsverhandlung in Szene setzten, werden nach den ersten zehn Minuten nur eingesetzt, um ein paar Säbel gen Publikum zu stoßen.
Und so beende ich meinen Blogeintrag, wie ich zuvor meinen Text über die ersten drei Filme beendet habe. Mit Sparrows Schiff, der Black Pearl. Eben dieser unrunden Perle, die für die ungenaue Namensgebung des Barock verantwortlich war. Während die Black Pearl im dritten Film eine direkte Anspielung auf den barocken Gegensatz von Diesseits/Jenseits ist, wird das stolze Schiff in On Stranger Tides zu einem Buddelschiff degradiert.
Ein trauriger Abgang für ein beeindruckendes Schiff und für eine neobarocke Trilogie.
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