Nachdem die letzten drei Beispiele von Hingeschaut von einer Blutsverwandten ausgewählt wurden (vielen lieben Dank, kleine Schwester) habe ich das Panel der Woche diesmal wieder selber ausgesucht. Das es sich um einen Webcomic handelt, gibt es keine Seitenzahl, sondern nur eine URL. Um ganz ehrlich zu sein, ist der Webcomic auch unter dem Titel The Trail of Colonel Sweeto and other stories von Nicolas Gurewitch (erscheinen bei Dark Horse) als Buch verlegt worden, nur habe ich die Seitenzahl verlegt. So viel zur Theorie, dass etwas schwer sein muss, um sich zu verkaufen.
Das Panel ziert die dritte Position von vier. Während die Linien, die das Panel unten und rechts begrenzen, gerade gezogen sind, verlaufen die Seitenbegrenzungen oben und links leicht geschwungen. Was wir darauf sehen, ist das Porträt eines älteren, bärtigen Mannes. Er trägt eine kronenartige Kopfbedeckung und eine hellblaue Toga. An Schulter, Oberarm und Handgelenk setzt sich diese altmodische Kleidung fort: Dort ist er mit einer silbergrauen Panzerung mit Verzierungen bekleidet. Mimik, Gestik und Kleidung vermitteln den Eindruck, dass es sich hier um einen König oder anderen Adeligen handelt, vielleicht sogar um eine Sagenfigur.
Erst beim zweiten Hinsehen fällt auf, dass die sagenhafte Figur gar nicht so sagenhaft aussieht. Die Krone erstrahlt nicht mehr im Glanz alter Tage, sondern wird durch herunterhängende Algen mit dem Charme von Strandgut versehen. Auch die Augenpartie der Figur erschließt sich erst bei genauerem Hinschauen als debiles Schielen und sein Bart erscheint auch recht ungepflegt. So bricht Gurewitch das Bild vom Meereskönig. Dies fällt aber nur auf, wenn wir die kondensierte Form des Comic Strip nicht schnell an uns vorbei ziehen lassen, sondern genau hinschauen.
Umrahmt wird das Panel von zwei Sprechblasen. In Lettern mit Kapitälchen und antiquierter Sprache, fordert der Mann seinen bis dato nicht sichtbaren Zuhörer auf, sich ihm anzuschließen ("Join me") und mit ihm gemeinsam etwas Neu anzufangen ("Let us begin anew"). Sicherlich ein edler Wunsch, der dem adligen Antlitz des Seeregenten entspricht. Doch in welchem Kontext steht diese Aussage?
Der Titel von Gurewitchs kurzem Comic Strip lautet: "Atlantis".Wir sehen vier Panels. Auf dem ersten trauert ein kleiner Jungen seiner Sandburg, die von der Brandung zerstört wurde. Auf dem zweiten Bild erblickt der junge die Figur des alten Mannes auf ihn zukommen. In seiner direkten Rede nimmt er Bezug auf das erste Panel: "I, too, have lost a kingdom".
Abbildung: © Dark Horse/Nicolas Gurewitch
1 Kommentar:
Hui, das ist eine schöne Sammlung von Strips. Der makabre Humor gefällt mir sehr gut. Großartig!
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